Auftakt: Kranzniederlegung und Ansprache am Grab von Gottfried Keller
Der Auftakt zum 121-zigsten Hottinger Sechseläutenmontag beginnt traditionell, wie alle zwei Jahre alternierend mit der Zunft zur Schmiden, mit der Kranzniederlegung am Grab von Gottfried Keller. Seit 1931, im Jahre der Einführung dieser bedeutsamen Tradition durch den Herrn Altzunftmeister und damaligen 1. Zunftschreiber Hans Weissenberger, ist heute sicherlich einer der sonnigeren Tage. Petrus ist der Zunftstadt Zürich gut gesinnt. Nach einer kurzen Kälteperiode in der Woche vor dem Sechseläuten, erwartet die Zunft Hottingen heute 18 Grad und ein strahlend blauer Himmel. Das schöne Wetter und die Vorfreude auf den schönsten Tag im Jahr locken bereits viele Zünfter vor der offiziellen Eintreffzeit in Richtung Zunfthaus am Neumarkt. Wäre sich der Wirt des Restaurants zur Kantorei dieser Tatsache bewusst gewesen, so hätte dieser seine Wirtschaft sicherlich bereits vor neun Uhr geöffnet, um das Anbrennen einiger, bereits durstiger Zünfter zu verhindern.
Die Busfahrt zum Friedhof Sihlfeld verläuft heiter und bereits zur früheren Morgenstunde machen die Zunftgesellschaft, Ehrengäste und Gäste einen munteren Eindruck. Die Ansprache am Grab zu Ehren von Gottfried Keller hält der Zünfter und Grossmünsterpfarrer Christoph Sigrist. In einer eindrücklichen Rede schliesst er Parallelen zwischen Gottfried Keller, der Kirche und dem Buch „Der Goali bin ig“ von Pedro Lenz – einem der beiden Ehrengäste der Zunft Hottingen. Christoph Sigrist fordert die Zünfter auf, keine Angst zu haben, zwischen den „Goalpfosten“ zu stehen und den Ball im Hier und Jetzt zu spielen. Kranzniederlegung und Ansprache werden von einem Kamerateam des Fernsehsenders Tele Z aufgenommen. Tele Z zeigt zurzeit eine 6-teilige Reportage unter dem Titel: Von Sechseläuten zu Sechseläuten – Einblicke ins Zunftleben der Zunft Hottingen. Der Sechseläutenmontag wird in der letzten Folge unter dem Motto: „Hottinger Zünfter erleben ein prächtiges Sechseläuten“ ausgestrahlt.
Zmittag: Hochstehende Reden, Glarner Zmittag und gesellige Zünfter
Pünktlich um 10:45 Uhr und mit grosser Vorfreude erwartet, beginnt das Sechseläuten im Zunftsaal mit dem Einmarsch des Zunftmeisters, der Vorsteherschaft, den Ehrengästen und Gästen der Zunft. Nachdem der Zunftsaal bereits im letzten Jahr seine schwarzen Wände verloren hat, verwandelt heute die Blumendekoration des Hottingerfests den Saal in eine Pracht aus Rot und Grün. Der Stubenmeister ergreift das Wort und verliest die ersten Worte im Zunftsaal. Es ist zu vermerken, dass der Stubenmeister auf einen angenehmen Tag zurückblicken wird. Die Zünfter zeigten sich ausserordentlich manierlich und folgsam. 18 Abmeldungen werden verlesen sowie die zwei Weinspenden von den Zünftern Balz Martin König und Ralph Brogle verdankt. Die Hottinger Zünfter erheben das Glas:
Hoch leben die Reben, hoch lebe der Wein,
schöner kanns Leben nicht sein!
Der Zunftmeister Marcus A. Gretener begrüsst zunächst die Herren Altzunftmeister, Altvorsteher, Zünfter, Zünfterssöhne, Kandidaten, Bewerber, Interessenten, Zunftgesellen sowie Schankburschen und überreicht dem Zünfter und Pfarrer Christoph Sigrist mit grossem Dank zur äusserst gelungenen Grabrede, symbolisch und humoristisch eine Martin Luther Playmobilfigur -die Huldrych Zwingli Brillentücher und Handwärmer waren vermutlich schon ausverkauft. Auf Amazon ist zu lesen: Sonderfigur anlässlich des Jubiläums „500 Jahre Reformation“. Ausgestattet mit Buch, Schreibfeder, Mantel sowie einer Kappe. Im Informationsbeileger finden sich Kurzinformationen zum Jubiläum mit einer Darstellung von Luthers Wirkungs- und Lebensstationen auf einer Deutschlandkarte.
Anschliessend begrüsst der Zunftmeister die Ehrengäste und Gäste der Zunft Hottingen:
Ehrengäste:
Herr Jürg Stahl, Nationalratspräsident 2016/2017 und Präsident Swiss Olympic
Herr Pedro Lenz, Schriftsteller/Dichter/Autor
Gäste:
Herr Hans Rhyner-Freitag, Glarner Mundart Experte
Herr Dr. Rainer Diederichs, Alt-Präsident Gottfried-Keller-Gesellschaft
Herr Dr. Max Schultheiss, Historiker und Mitarbeiter des Stadtarchives Zürich
Eine Dreierdelegation des Schweizerischen Zofingervereins
Herr Heinrich Girsberger, Spender des Apéros am Nachsechseläuten 2016 in Seelisberg, konnte der Einladung der Zunft aus gesundheitlichen Gründen leider nicht folgen. Unerwartet und nicht in der Einladung zum Sechseläuten vermerkt, kündigt der Zunftmeister zusätzlich eine Delegation der Zunft zu Safran von Luzern als Gäste der Zunft an. Ursprünglich wurde die Zunft zu Safran von der hochwohllöblichen Zunft zum Weggen eingeladen. So formell und spontan die Einladung der Zunft zum Weggen erfolgte, so formell und spontan erfolgte auch wieder die Ausladung. Gerüchten zu Folge basiert dieser Fauxpas auf herausfordernden Platzverhältnissen im Haus zum Weissen Wind. Für unseren Zunftmeister Grund genug, in die Bresche zu springen und die Gastfreundschaft der Zunft Hottingen zu untermauern.
In der diesjährigen Meisterrede steht der Umgang mit dem Informationsüberfluss in einer freien Gesellschaft im Fokus. Der Zunftmeister Marcus A. Gretener mahnt vor der Nachrichtenüberflutung, und dass es nicht mehr einfach ist, zwischen relevanten und nicht relevanten Neuigkeiten zu unterscheiden. Heutzutage stehen Nachrichten überall und rund um die Uhr zur Verfügung. Das Smartphone ist immer griffbereit. Wie in einer Studie berichtet, nimmt ein normaler Nutzer 2‘600 Berührungen seines Smartphones pro Tag vor. Die Digitalisierung ist in aller Munde und es besteht kein Zweifel, dass diese mit einer kollektiven Überforderung und digitalen Burnouts einhergeht. Weiter berichtet der Zunftmeister vom Begriff „Smombie“. Ein Wortspiel aus Smartphone und Zombie. Laut Langenscheidt sind damit Menschen gemeint, die durch den ständigen Blick auf ihr Smartphone so stark abgelenkt sind, dass sie ihre Umgebung kaum noch wahrnehmen. Fake News, Geld vor Informationsgehalt und eine fehlende Auseinandersetzung mit Nachrichten sind Themen seiner Rede. Abschliessend erhebt der Zunftmeister seinen Zunftmeisterbecher und fordert die Zünfter zur Dialogbereitschaft, Gelassenheit und Vertiefung der Hottinger-Gesprächskultur auf. Es war eine ausgezeichnete Meisterrede, bei der der Zunftmeister den Nerv der Zeit trifft.
Mittlerweile sind die Zünfter wohl gesättigt. Das Mittagessen steht im Zeichen des Gastkantons Glarus: Glarner Chalberwurscht mit Herdöpfeltampf und Tüüri Zwätschge mit Bölle-Anke Soose. Zum Dessert Glarner Baschteete mit Zwätschgesoose. Begleitet wird das Glarner Festmahl von unserem prämierten Wilchinger, dem Zouftwii von M. Hediger. Prämiert ist in diesem Sinne nicht mit einem sauren Nachgeschmack verbunden, sondern basiert auf der Tatsache, dass der Hottinger Zouftwii an der Iitrinkete am Donnerstagabend vor dem Sechseläuten im Restaurant Quai 61 während einer Blinddegustation zum besten Zouftwii unter 26 gewählt wurde. Weit ab auf Rang 2 die Zunft zu Wiedikon und auf Platz 3 die Zunft Oberstrass. Hohn musste die hochwohllöbliche Zunft zum Kämbel über sich ergehen lassen mit einer bitteren Klassierung auf dem letzten Rang.
Das Zunftspiel betritt die Bühne. In unübertrefflicher Qualität und noch in den alt eingetragenen Uniformen – das Spiel freut sich bereits auf die neuen Uniformen – spielt die Harmonie Kilchberg den Olympia Marsch. Das erste Stück wird zu Ehren von Herrn Jürg Stahl, Nationalratspräsident und Präsident Swiss Olympic gespielt. Mit den Worten, höchster Schweizer und Sportler, ehemaliger Fallschirmaufklärer, Major sowie gewiefter Taktiker begrüsst der Zunftmeister den Herrn Nationalratspräsidenten Jürg Stahl. Begleitet wird Herr Stahl von seiner Ratsweibelin Chantal Schaller. Herr Stahl seinerseits begrüsst die zoiftige Gesellschaft im Saal und spricht in seiner Rede über die Parallelen von Politik und der Zunft Hottingen. Insbesondere bei der Zahl “sieben“ gäbe es Gemeinsamkeiten. Herr Stahl spricht dabei vom Bundesrat mit sieben Mitgliedern und dem Fähnlein der sieben Aufrechten, einer Novelle von Gottfried Keller, die 1860 entstanden ist. Kern der Rede ist eine humorvoll ausgeschmückte Erläuterung der Arbeiten von Herrn Stahl als Nationalratspräsident mit Fokus auf die Geschäfte und Vorstösse in der grossen Kammer des Parlaments. Herr Stahl berichtet von interessanten bis skurrilen Vorstössen wie: „Der Wolf reisst weiter Schafe. Jetzt muss gehandelt werden!“ oder „Die Post als Online-Bettwarenhandlung?“. So vielfältig die Geschäfte im Nationalrat sind, so vielfältig ist auch das Schweizerische Volk und Herr Stahl weist abschliessend darauf hin, dass es der Schweiz nur so gut gehe, weil die Bürger gute Arbeit vollbringen und sich für ihre Anliegen engagiert einsetzen. Nationalratspräsident Stahl überreicht dem Zunftmeister als Gastgeschenk einen kleinen Stahlwürfel, symbolisierend eckig wie die Schweiz und als Glücksbringer dienend. Zudem überreicht er ein Foulard zur Ergänzung der sicherlich bereits grösseren Ascot-Sammlung unseres Zunftmeisters. Als Dank überreicht der Zunftmeister Marcus A. Gretener einen Tirggel und das Buch „Zunftherren Wiedertäufer Revoluzzer – Das Zunfthaus am Neumarkt als Bühne der Stadtgeschichte“ von Zünfter René Zeller und Altzunftmeister Dr. Martin K. Eckert als Herausgeber. Mit grosser Wertschätzung für unser Vaterland und zur Ehre des anwesenden Nationalratspräsidenten spielt darauf das Zunftspiel die Schweizerische Landeshymne.
Ohne grössere Verschnaufpause stellt der Zunftmeister Schriftsteller, Dichter und Autor Pedro Lenz vor. Pedro Lenz ist nicht nur ein grosser Schriftsteller und Fussballfan, sondern mit einer Länge von über zwei Metern auch eine grosse Persönlichkeit. Der Zunftmeister verliest den Lebenslauf von Pedro Lenz, der insbesondere die nachfolgenden und sehr beachtenswerten Entwicklungsetappen enthält: Lehre zum Maurer, Eidgenössische Matur als zweiter Bildungsweg und einige Semester Studium in spanischer Literatur an der Universität Bern. Pedro Lenz persönliches Interesse an Verlierern, welches auch die Grundlage seines wohl berühmtesten Werkes „Der Goali bin ig“ bildet, setzt der Zunftmeister gekonnt in Verbindung mit dem Lieblingsfussballclub von Pedro Lenz, den BSC Young Boys. Lobend zieht der Zunftmeister Parallelen zwischen Pedro Lenz und Mani Matter, zwei grossartigen Persönlichkeiten, die in der Mundart einen ausserordentlichen Weg zur Kunst gefunden haben. Pedro Lenz beginnt seine Rede und berichtet, dass ihm die Stadt Zürich nicht fremd sei, schliesslich habe er drei Jahre in der schönen Stadt gelebt und auch massgeblich beim Gleisausbau am Zürcher Hauptbahnhof mitgearbeitet. Pedro Lenz findet im Kern seiner Rede die Parallelen zwischen seiner Arbeit als Schriftsteller und der Zunft Hottingen in Form und Haltung. Die Form gibt dem Inhalt Halt und die Zünfter füllen das Sechseläuten mit Form und Haltung. Pedro Lenz untermauert die Wichtigkeit, dass Traditionen mit Inhalt gefüllt werden. Das sei viel mehr als Traditionen nur zu pflegen. Etwas Form und Halt zu geben heisst, es zu leben und mit Inhalt zu füllen. Die Rede von Pedro Lenz ist eine überwältigende, in Berner Mundart gesprochene Prosa, wiedergegeben in einer Geschwindigkeit, bei welcher selbst ein Zürcher aufmerksam zuhören muss. Als Dank überreicht der Zunftmeister Marcus A. Gretener einen Tirggel und das Buch über die Geschichte des Zunfthauses. Zu Ehren von Pedro Lenz spielt das Zunftspiel den Song Mighty Quinn von Bob Dylan.
Traditionsgemäss begrüsst der Zunftmeister am frühen Nachmittag die Kindergruppe. Eine herzliche Schar von Nachwuchsschankburschen, Zunftgesellen sowie Zünfterstöchtern präsentiert sich vor dem Ehrentisch. Cla Menzi berichtete bereits in der zweiten Folge der zurzeit ausgestrahlten Serie über die Zunft Hottingen auf Tele Z, dass die Begrüssung der Kindergruppe durch den Zunftmeister im Zunftsaal eines der Highlights ist, welches die Zunftkinder am Sechseläutenmontag erleben. Mit der Inmarschsetzung der Reiter und der Stabsübergabe an den Zugführer Dr. Christoph Schuppli endet ein grossartiger Mittag mit hochstehenden Reden, ausgezeichnetem Glarner Mittagessen und gut gelaunten sowie geselligen Zünftern.
Umzug: Sonne, Küsse und ein grandioser Knall
Das warme und sonnige Wetter lockt die Zünfter vor dem Abmarsch zu einem kühlen Bier in den Garten der Wirtschaft zum Neumarkt oder in die Kantorei. Am diesjährigen Sechseläuten marschiert die Zunft Hottingen an 24ter Stelle, kurz vor der Zunft zum Kämbel, welche das Schlusslicht bildet. Es bleiben noch knapp 1 ½ Stunden bis zum Umzug. Die Stimmung ist gut. Verglichen mit 2016, wo Petrus den Hahn nur einmal öffnete und dies von morgens bis abends, ist heute ein traumhafter Tag. Vermutlich liegen die Temperaturen bereits über 16 Grad und die Zylinder schützen vorsorglich vor einem Sonnenstich. Ideale Voraussetzungen für den Marsch zum Sechseläutenplatz. Auch die Frauen und Bekannten der Zünfter werden dieses Jahr die Küsse auf trockene Wangen drücken. Es geht los und die Zunft verlegt sich in Marschformation zum Beatenplatz. Nach kurzem Warten in der Beatengasse biegt die Zunft Hottingen nach der Zunft Wollishofen in die Bahnhofstrasse ein. Ein überwältigendes Bild. Der Tagesanzeiger berichtet tags darauf: „Über 50‘000 Zuschauer säumten den Sechseläutenumzug“. Wie jedes Jahr sind die Zünfter nun gefordert: Aufschliessen, anhalten, ausweichen, Küsse entgegennehmen, gekonnt zurückküssen, Blumen strukturiert halten, eine Hand freihalten zum Grüssen und Hut abnehmen, im Kontermarsch entgegenkommende Zünfter identifizieren, reiten, Kanone laden und abfeuern und schlussendlich die perfekte Marschformation ohne offene Lücken vor dem Schweizer Fernsehen am Limmatquai einnehmen.
Die Zunft Hottingen trifft kurz nach 18:00 Uhr am Sechseläutenplatz ein. Der Scheiterhaufen brennt bereits, der Böögg ist leicht „angeschmörzelt“. Das Feuer wurde vom Glarner Landammann Rolf Widmer entfacht. Es war nicht irgendeine Flamme, das Feuer kam vom „Fridlisfüür“. Es ist schwer abzuschätzen, ob der Böögg dieses Jahr auch wieder fast 44 Minuten benötigt oder ob der Schwamendinger Zünfter und Böögg-Bauer Lukas Meier daran gearbeitet hat, den Zürchern und Zürcherinnen einen schönen Sommer zu bereiten. In einem Interview mit der NZZ berichtet Lukas Meier, dass er ähnlich wie ein Fussballtrainer nach dem Match jeweils die Fernsehbilder analysiere und den Böögg auf dieser Basis optimiere. Für mehr „Schub“ sollte dieses Jahr auch die Anzündtechnik sorgen. Tele Zürich berichtet, dass der Böögg erstmals mit Brennpaste statt mit Petrol verheizt wird. Grün Stadt Zürich begründet diese Änderung mit der zusätzlichen Sicherheit … für Lukas Meier wohl aber eher eine weitere Optimierungsmassnahme, um Pressemitteilungen wie „Er hats verbööggt“ oder „Fail-Böögg“ von 2016 zu verhindern. Und tatsächlich, sämtliche Analysen und Optimierungsmassnahmen wirken. Nach ca. 9 Minuten geht es Schlag auf Schlag. Die Böller knallen und ein einzigartiges Spektakel geht vor sich. Nach genau 9 Minuten und 56 Sekunden – NZZ, Tagesanzeiger und Blick sind sich einig, explodiert der Kopf des Bööggs. Die NZZ schreibt am Dienstag: “Das gestrige Ende des Bööggs hatte sich schon früh abgezeichnet: Schon nach wenigen Minuten brannte der auf einem 10 Meter hohen Scheiterhaufen stehende, 3,4 Meter grosse Schneemann lichterloh, und bereits nach 6 Minuten begann es zu knallen.“ Seit vielen Jahren wissen wir aufgrund diverser Statistiken, dass wissenschaftlich keine Korrelation zwischen der Brennzeit des Bööggs und der Pracht des Sommers besteht. Heute aber wissen wir, dass Lukas Meier einen ausgezeichneten Böögg gebaut und die richtigen Korrekturmassnahmen getroffen hat. Korrelation hin oder her, wir freuen uns auf einen warmen und sonnenreichen Sommer! Die Reitergruppe der Zunft Hottingen, mitunter Zunftmeister Marcus A. Gretener, reitet im Galopp drei Runden um den Böögg. Für die Zunft Hottingen ist die Verschnaufpause an der Sechseläutenwiese kurz. Dennoch ist uns trotz Umzugsposition 24 nichts entgangen. Die ca. 3‘500 Zürcher Zünfter machen sich auf den Weg zurück in die Zunfthäuser.
Znacht und Uuszug: Nüchterne Zofingia, wortgewandte Sprecher und traditioneller Fleischkäse
Zurück im Zunftsaal dankt der Zunftmeister dem Reiterchef Pedro R. Mor für den ausgezeichneten Auftritt der Reiter beim Umritt. Das wöchentliche Reittraining auf der Forch, die zeitintensive Vorbereitung, die grosse Erfahrung und vor allem die Passion der Hottinger Reitergruppe sind einmalig und suchen ihres gleichen in der Zürcher Zunftgesellschaft. Mit einer Bärlauchsuppe und emene Braate vom Söili stärken sich die hungrigen Zünfter. Alex Hannemann, Geschäftsführer an der Front des Neumarkts berichtet, dass das Söili den ganzen Nachmittag mit der neusten Sous-vide Technik bei konstanter Temperatur im Vakuum schmorte. Ganz nach Wilhelm Busch: „Es wird mit Recht ein guter Braten gerechnet zu den guten Taten.“, ein Gaumenschmaus.
Der Zunftmeister Marcus A. Gretener kündigt die Dreierdelegation des Schweizerischen Zofingervereins im Vollwichs an. Gekonnt diplomatisch informiert der Zunftmeister Marcus A. Gretener über ein Schreiben, welches er nach dem Sechseläuten 2016 von einem Gast der Zunft Hottingen erhalten hat. Der Inhalt ist zwar wörtlich nicht bekannt. Im Kern soll es aber eine Klage über die Tischmanieren eines Vertreters der Zofingia am Ehrentisch beinhalten – eine Nichtkonformität im Zusammenhang mit den Benimmregeln von Adolph Freiherr Knigge. Wie es Politik, Wirtschaft und Studentenverbindungen heutzutage fordern, hat dieses Schreiben den betroffenen Delegierten zum freiwilligen und frühzeitigen Rücktritt bewegt. Somit werden, trotz eines 3-jährigen Turnus der einzelnen Zofingia-Delegierten, dieses Jahr gleich zwei „Neulinge“ begrüsst. Entsprechend nüchtern und korrekt fällt die Produktion der Dreierdelegation aus. Versteckt hinter Masken und teilweise leicht bekleidet berichten die Zofingia-Delegierten über das aktuelle Weltgeschehen in Bezug auf Merkel, Erdogan und Putin. Im Fokus stehen die Europäische Flüchtlingspolitik, die Annexion der Krim und das kürzlich beschlossene Präsidialsystem in der Türkei. Eine einwandfreie Produktion wobei anzufügen ist, dass auch der beste Athlet keinen Marathon ohne die gute, alte Flasche Isostar bestreiten würde. Die Produktion der Delegation wird mit einem Schluck aus dem Zunftmeisterbecher verdankt.
Der Zunftmeister orientiert über die Sprecher des Auszugs. Dies sind: Jan Schibli, Sprecher bei den Zünften zur Gerwe und zur Schuhmachern; Roger Würth, Sprecher bei der Zunft zum Weggen; Martin Brogli, Sprecher bei der Zunft St. Niklaus. Die Ankündigungen erfolgen durch den Herold Andreas Moser. Es herrscht Aufbruchstimmung, die Zünfter entzünden ihre Laternen und der Auszug zum gegenseitigen Zunftbesuch beginnt mit dem Marsch in Richtung Bahnhofstrasse zum Hotel Savoy. Die Stimmung ist unbeschreiblich. Dank den lauen Temperaturen und dem trockenen Wetter haben sich die Strassen und Plätze der Stadt gefüllt. Der Einlass ins „Savoy“ verzögert sich. Kurze Zeit später überbringt Jan Schibli die Grüsse des Zunftmeisters und der Stubenhocker und hält eine ausgezeichnete mit Strom und Spannung geladene Rede. Der hochgeachtete amtierende Zunftmeister Alex Huber, nicht zu verwechseln mit dem stillstehenden Zunftmeister Felix Huber, wird reichlich mit Elektromessgeräten aus dem Hause der Schibli-Gruppe beschenkt. Im Haus zum Weissen Wind bei der hochwohllöblichen Zunft zum Weggen spricht Roger Würth über Backen ohne Fett (BoF), Innovation und Kundenfreundlichkeit. Gemäss eigener Aussage konnte der hochgeachtete Zunftmeister Christian A. Städeli den roten Faden der Rede nicht immer ganz aufnehmen. Dies führte schlussfolgernd, trotz einer ausgezeichneten und mit Pep gespickten Rede von Roger Würth, zu einer durch den Zunftmeister ausgesprochenen Bewertung von 15 von 100 Punkten. Bei der Erklärung des Bewertungssystems durch den Zunftmeister Christian A. Städeli haben dann die Hottinger Zünfter den roten Faden verloren. Schlussendlich bringt uns der Auszug zur Zunft St. Niklaus ins Hotel Carlton, wo Sprecher Martin Brogli vor dem hochgeachteten Zunftmeister Rudi E. Vontobel eine fulminante Rede zu IBM, dem Segelboot Virginia und dem Aussenquartier Oerlikon hält. Nach drei Zunftbesuchen mit hervorragenden Reden, ausgelassener Stimmung und konterstarken Zunftmeistern trifft der Auszug um Mitternacht wieder am Neumarkt ein.
Im Anschluss an den mehrstündigen Auszug stärken sich die erschöpften Zünfter bei einem kühlen Bier und einem warmen Fleischkäse. Während des Auszugs war auch im Neumarkt einiges los. Der Zunftmeister berichtet über die Besuche der Zürcher Singstudenten, der Zunft St. Niklaus, der Stadtzunft und der Gesellschaft zur Constaffel. Der Sechseläutenmontag und das offizielle Programm neigen sich dem Ende entgegen. Der Zunftmeister Marcus A. Gretener verdankt das Zunftspiel, die vier Sprecher, das Neumarkt Küchen- und Serviceteam, die Schankburschen, das Organisationskomitee des Hottingerfäscht, den Zeugwart Reto Boltshauser und den Stubenmeister Martin Schmitt. Einen besonderen Dank richtet der Zunftmeister an den Zünfter Thomas Heuberger, der unter dem Jahr mit fachmännischem Wissen und Geschick den Einstieg des Umzugswagens für junge Zünfterskinder und ältere Zünfter erneuert hat. Für unermüdliche Zünfter geht der junge Dienstagmorgen mit einem Saubanner auf der Zunft zur Schmiden mit dem Altzunftmeister Dr. Martin K. Eckert und dem Nachwuchstalent Junior-Eckert oder einem Schlummerbecher im Restaurant Neumarkt weiter.
Die Zunft Hottingen erlebte ein facettenreiches Sechseläuten 2017, das mit politischen und literarischen Schwergewichten, einer hochaktuellen und hochspannenden Meisterrede, kulinarischen Höhepunkten, einem Traumwetter am Umzug, ausgezeichneten Sprechern sowie aufgestellten und geselligen Zünftern geprägt war. Mit den traditionellen Worten verabschiedet der Zunftmeister Marcus A. Gretener die Altzunftmeister, Altvorsteher, Zünfter, Zünfterssöhne, Bewerber, Kandidaten, Interessenten, Gesellen, Schankburschen sowie die Ehrengäste und Gäste.
Von Tobias Kull, Bewerber