Zu den Dörfern, die dem Chorherrenstift Grossmünster durch Schiedsgerichtsspruch vom 28. April 946 als zehntpflichtig zugeteilt wurden, gehörte auch Hottingen. In der entsprechenden Urkunde ist die Rede von ‚beiden Hottingen‘ (de ambobis Hottinga). Darunter sind einerseits der sogenannte ‚Hottingerboden‘ und anderseits auch der ‚Hottingerberg‘ zu verstehen. Das ganze Gebiet der späteren politischen Gemeinde Hottingen erscheint erst zu Beginn des 16. Jahrhunderts zusammenhängend. Die vorerwähnten Siedlungen selbst sind jedoch viel älter, wie Funde beweisen.
Bis zur Reformationszeit blieb der Hottingerboden vom Hottingerberg getrennt. Bis zum Jahre 1408 scheint die politische Zugehörigkeit Hottingens nicht klar zu sein. Vermutlich bildete der Hottingerboden einen Teil des Hofes Stadelhofen, während andere Gebiete Bestandteile der Reichsvogtei Zürich waren, die seit 1400 von der Stadt verwaltet wurden. Während in den andern Ausgemeinden der Ursprung der Selbständigkeit mit der Errichtung der Wachten zusammenfällt, scheint dies in Hottingen auch erst um die Reformationszeit der Fall gewesen zu sein. Bekanntermassen gehörte Hottingen im 15. Jahrhundert zum städtischen Verwaltungsbezirk der ‚Vier Wachten’ (Ober- und Unterstrass, Fluntern und Hottingen).
Die enge Verbindung mit der Stadt Zürich gab Hottingen wertvolle wirtschaftliche und später auch kulturelle Impulse. Aber sie brachte dem Dorfe und seinen Bewohnern auch Zeiten schwerer Bedrängnis und Not. In Kriegszeiten diente die Zone vor der Stadt dem Feinde als Aufmarschgebiet. Hottingen hatte schon um die Mitte des 14. Jahrhunderts, als die Habsburger das Zürich Rudolf Bruns mehrmals belagerten, unter Brandschatzung und Verwüstung zu leiden, wie auch neunzig Jahre später, als die Eidgenossen Zürich umsonst zu erobern suchten. Auch im Jahre 1489, beim Sturze Hans Waldmanns, dann wieder während der Helvetik 1798 – die längere französische Einquartierungen und Requisitionen brachte – und in den beiden Schlachten bei Zürich 1799, wurde Hottingen als Schauplatz kriegerischer Auseinandersetzungen erheblich geschädigt.
Am 25. Juni 1803 wurde die benachbarte ‚Stadtgemeinde‘ Zürich gebildet und ein Stadtrat von fünfzehn Mitgliedern eingesetzt. In Hottingen orga¬nisierte sich nach bewegtem Wahlkampf die neue Gemeindebehörde. Erstmals wurde ein Gemeinderat von fünf Mitgliedern bestellt.
Mit der zunehmenden Erschliessung der Gemeinde und als Folge der gewaltigen Bevölkerungsvermehrung wurde der Rahmen des alten, landwirtschaftlichen Hottingen gesprengt. In der grossen Zahl der selbständigen Kaufleute und der Angehörigen künstlerischer und akademischer Berufe spiegelt sich die soziale Wandlung Hottingens seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Trotz zahlreicher Einbürgerungen bildeten die Hottinger-Bürger nur noch eine Minderheit; sie wurden an Zahl sogar von den niedergelassenen Ausländern übertroffen. Über die altansässige, vorwiegend landwirtschaftliche Bevölkerung legte sich eine zugewanderte, städtische Schicht, für welche Hottingen nicht mehr Lebenszentrum, sondern nur noch Wohnort war, während ihr Beruf sie mit der Stadt verband. So wurde Hottingen in den achtziger Jahren reif für den Anschluss an die Stadt. Diesen entscheidenden Schritt billigten die Hottinger an der Volksabstimmung vom 9. August 1891. Damit gab Hottingen sein Eigenleben als selbständige Gemeinde auf.
Bedeutungsvoller als der quantitative, demographische und wirtschaftliche Aufschwung der letzten hundert Jahre ist, dass sich Hottingen nach und nach zu einem Brennpunkt zürcherischer Kultur und Geistigkeit entwickelte. Das Hottinger Gelehrten-Viertel stellte im Laufe der Zeit 25 Hochschulrektoren, die Mehrzahl der Schulratspräsidenten der Eidgenössischen Technischen Hochschule und 480 Professoren. Auch Schriftsteller, Künstler, Musiker und Schauspieler siedelten sich mit Vorliebe hier an. So war es eine eigenartige und doch nicht zufällige Fügung des Schicksals, dass die Gemeinde just in jener Zeit, da sie in der grösseren Gemeinschaft aufging, einen Grad kultureller Blüte und geistiger Prägung erreichte, der sie vor den übrigen ländlichen und vorstädtischen Gemeinwesen auszeichnete. Das waren auch die Jahre, wo Richard Wagner, Gottfried Keller, Arnold Böcklin oder Johanna Spyri in Hottingen ihre Werke schufen.
Die Erwartungen, die an die Stadtvereinigung geknüpft wurden, gingen in Erfüllung, und das Opfer, das die Hottinger am 1. Januar 1893 gebracht hatten, war nicht vergebens. Das Zusammengehörigkeitsgefühl ging nicht verloren. Wohl hat sich das innere Leben im jungen Stadtquartier schlagartig verändert. Manche Eigenart der blühenden, vormals ’souveränen‘ Vorstadt ging im mächtig aufstrebenden Gross-Zürich unter. Aber in den geselligen Kreisen der Vereine blieb es lebendig.
Quelle: Geschichte der Gemeinde Hottingen und Entstehung der Zunft Hottingen, Heinrich Tuggener-Rossel, 3. Aufl., Zürich 1980